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Beitrag von
Sammy2009 (537 Beiträge) am Sonntag, 4.Oktober.2020, 17:44.
So war es - Teil 2: Das erste Wochenende aus dem Haus
Es war der 3. Anlauf, den ich genommen hatte zum Wochenende „Eine Insel für meine Trauer“. Als ich mich anmeldete, dachte ich "das erste Wochenende und in diesem großen Schmerz des Abschieds - da bist du bei den Trauernden genau richtig aufgehoben, da passt du sehr gut dazu. Auch wenn du schon seit 2,8 Jahren allein bist".
Als ich in Katzwinkel ankam und aus dem Auto stieg, dachte ich mir mit Blick in den Himmel „Was mache ich hier eigentlich?“ und wollte gerade wieder ins Auto steigen und zurückfahren, als ich Reinhild (Helene67) auf mich zukommen sah. Nix mehr mit kneifen… Sie begrüßte mich mit einer Herzenswärme, die mir wie gerufen kam. Das ganze Wochenende fühlte ich mich so gut aufgehoben, umsorgt. Jutta (Maikäfer) gestaltete die Tage so wunderbar, mit viel Raum für alles, was sonst im Alltag entweder untergeht oder zumindest nicht in der Bedeutung wahrgenommen wird, die es aber eigentlich braucht. Wir waren (Corona-bedingt) „nur“ 7 Teilnehmer plus Jutta und Reinhild. Für mich persönlich hätten es auch nicht mehr sein dürfen.
Mir wurde bewusst, dass ich in der Zeit seit dem Tod meines Mannes sehr zurückgezogen gelebt habe. Das ist etwas, was ich mir „zurückerobert“ habe, denn bevor ich mit meinem Mann zusammenkam, lebte ich auch eher für mich. Im Haus war es sehr ruhig und jetzt, in der Mietwohnung ist ein unterschwelliger Geräuschpegel. Da unterhalten sich Bewohner oder die Nachbarin schaut TV mit etwas mehr Lautstärke, weil sie schon betagt ist… Daran muss ich mich gewöhnen, was aber nicht schlimm ist, denn es zeigt mir auch, dass ich noch lebe. In der Arche Noah war auch eine größere Familie mit Kindern – auch hier Lachen, Weinen, Türenschlagen… Geräusche, die ich nicht mehr gewohnt bin und auch hier ein untrügliches Zeichen für LEBEN.
Es waren gute Tage. In den Gesprächsrunden wurde mir aufgezeigt, dass ich eine viel zu hohe Erwartungshaltung an mich selbst hatte und habe. Auf der Rückfahrt habe ich mir Gedanken darüber gemacht, woher das wohl kommt. Eine Ahnung habe ich, doch das sind eher Themen, die ich mit meinem Psychologen in der Verhaltenstherapie bespreche, und nicht hier im Forum. Doch es war wichtig für mich, dass Menschen, die mich nicht kennen, genau diese Wahrnehmung hatten und sie mir auch gesagt haben – was fast noch wichtiger ist.
Jutta stellte eine Aufgabe: Wir sollten uns überlegen, welche Schritte wir seit dem GAU schon gegangen sind und sollten diese Aufschreiben. Nun, ich schrieb 2 Zettel: auf dem einen steht „Unser Zuhause aufgelöst“ und auf dem anderen steht „2 Jahre und 8 Monate Abschied überlebt“. Sie meinte darauf hin, dass ich das sehr komprimiert aufgeschrieben hätte und dass da doch sehr viel mehr gewesen sei. Eine Kursteilnehmerin sagte dann „Du hast doch das Auto deines Mannes verkauft“ und eine andere Teilnehmerin sagte „wir alle sind doch schon ganz viele kleine Schritte gegangen – angefangen bei der Bestattung unseres Lebensmenschen“. Und ich musste dann mir selbst gegenüber tatsächlich eingestehen, dass ich wirklich schon viele Schritte gegangen bin. Ich bin nicht der Mensch, der sich selbst lobt. Der seine Erfolge sieht und wahrnimmt. Andere loben, das kann ich. Bei mir selbst versage ich. Und wenn ich von anderen gelobt werde, ist mir das unangenehm. Aber es ist in der Tat so: wir alle, egal wie lange wir nun schon verwitwet sind – wir alle sind schon so viele Schritte gegangen und haben überlebt. Und wir werden es auch weiterhin überleben.
Ein weiterer wertvoller Impuls war auch eine Frage, die ein Kursteilnehmer so beiläufig an mich stellte: Ob ich denn oft beim Autofahren in den Rückspiegel schaue und dass das nicht gut geht, denn der Blick muss nach vorne gerichtet sein. Er darf schon mal zurückgehen, aber wenn ich nicht nach vorne schaue, kracht es. Stimmt! So ist es auch in der Trauer: Ich muss ja nicht weit nach vorne schauen, vielleicht reicht es schon, im HIER und JETZT zu sein. Und wenn ich ganz bei mir bin, spüre ich ja auch viel eher die Präsenz meines Mannes, so er denn dann gerade da ist. Wertvoller ist es aber auch, wenn man sich selbst in aller Deutlichkeit spürt. Was brauche ich jetzt gerade? Was tut mir gut? Und noch ein Impuls bekam ich heute: „Mach aus dem „MÜSSEN“ ein „KÖNNEN“. Das nimmt den Druck raus. Stimmt. Ich habe an diesem Wochenende erfahren, dass ich viel zu streng mit mir selbst gewesen bin, dass ich liebevoller mit mir selbst umgehen kann, ohne dass ich mich rechtfertigen brauche.
Ich bin dankbar für diese Tage und die Begegnungen, die Impulse. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Jutta und Reinhild DANKE sagen. Für die Mühe, für die Anstrengungen und für ihre Tränen, die sie uns gezeigt haben. Eine Kurzteilnehmerin brachte es in der Abschlussrunde auf den Punkt: Selbst nach 18 Jahren darf da noch Trauer und Wehmut, Schmerz sein. Es gibt keine Norm für uns Trauernde. Alles darf sein.
Nicht vorenthalten möchte ich Euch den Text einer Karte, die ich mir ausgesucht hatte, denn es sind Worte, die mein Mann zu mir sagt – gestern, heute und hoffentlich auch in Zukunft immer wieder:
**** Wenn ich an dich denke.
Kennst du die Farben des Glücks? Weißt du, wie Sommertage duften? Hörst du das Flüstern des Windes im Gras? Weißt du, wie Wolken schmecken? Hörst du, wie mein Herz lacht, wenn ich an dich denke?
****
*** editiert von Sammy2009 am Sonntag, 04.10.2020, 17:50 ***
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