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Beitrag von
Clelia (238 Beiträge) am Samstag, 16.April.2022, 08:24.
Re: Tag 26 ohne Paul
Oh - das kenn ich - super frustrierend!! Ddas passiert leider öfter, weil die in die Jahre gekommene gute alte Website bei längeren Texten keine Bewegung mehr registriert und Dich dann ausloggt ( seeehr laienhaft erklärt, Oliver schüttelts wahrscheinlich jetzt ) Manmchmal hat man Glück, wenn man sich umgehend nach "senden" und dem dann folgenden "oh nein" wieder einloggt.... manchmal erscheint der geschriebene Text doch. manchmal leder aber nicht. Das Einzige was derzeit hilft: längere Texte in aller Ruhe im eingene Schreibprogramm schreiben, dann erst hier reinkopieren. Lass Dich davon jetzt nicht frustrieren - und wenn Du wieder Kraft dazu hast und schreiben magst, versuchs nochmal. Liebe Grüße, Clelia
Dein Beitrag:
Beitrag von
Martini69 (12 Beiträge) am Freitag, 15.April.2022, 11:04.
Tag 26 ohne Paul
...und jeden Tag fehlst du mir einen Tag mehr... Das habe ich irgendwo gelesen und fand es passend.
Ich bin total unsicher, ob und wie ich etwas schreiben soll, aber jetzt starte ich einfach mal mit den letzten drei Monaten, die für uns beide so hart waren. Paul und ich hatten am ersten Weihnachtsfeiertag einen schweren Autounfall. Ein LKW hatte uns die Vorfahrt genommen und wir sind mit ca 80km/h in ihn reingebrettert. Paul war zwischen Sitz und Motorblock völlig eingequetscht, hatte wahnsinnige Schmerzen und ist immer wieder bewusstlos geworden. Ich saß neben ihm, habe seine Hände gehalten, ihn gestreichelt und dachte ständig: "er stirbt. Er stirbt jetzt vor meinen Augen!" Diese Hilflosigkeit war schrecklich. Nachdem die Feuerwehr ihn rausgeschnitten hatte, kamen wir beide auf Intensiv (ich hatte einen Pneumothorax, aber sonst nur Prellungen) und bei Paul stellte sich heraus, dass beide Oberschenkelköpfe und das gesamte Becken zertrümmert waren. Er wurde mehrmals operiert und der Arzt meinte später, das hätte für fünf Mal tot gereicht und sie hätten ihr bestes gegeben, aber laufen wird er nie wieder richtig können. Normalerweise würden Menschen, die solche Verletzungen haben, spätestens auf dem OP-Tisch sterben. Und dann wurde bei den Untersuchungen noch ein Schädel-CT gemacht, da wurde dann ein Aneurysma entdeckt, das unbedingt operiert werden müsse, weil die Gefahr, dass es reisst, wohl sehr groß war. Aber das solle lieber gemacht werden, wenn er etwas stabiler sei, also vor der eigentlichen Reha. Dann musste er in Frühreha, er war ja ein Vollpflegefall. Sechs endlose Wochen nur auf dem Rücken liegen. Über 500 km voneinander entfernt... In dieser Zeit stand dann noch unser Umzug an, der mich so viel Kraft gekostet hat, die ich eh nicht hatte, unser Hund wurde schwer krank, ich dachte über Wochen, ich müsste ihn einschläfern lassen. Die Tierarztkosten haben mich finanziell total in die Knie gezwungen. Die Folgen des Unfalls bei mir habe ich immer versucht zu verdrängen (ich hatte ja "Glück"), aber es kamen immer mehr Beschwerden und Schmerzen, die ich kaum aushalten konnte. Aber ich wollte funktionieren, für meinen Liebsten alles tun, was möglich ist. Jeden Tag hab ich ihm einen Brief geschrieben, zweimal in der Woche ein Päckchen geschickt, wir haben unsere Wohnung per Zoom zusammen eingerichtet, wir haben stundenlang telefoniert mit Vorlesestunden und ich habe ihm so eine Art Adventskalender gebastelt mit 79 Tütchen bis zu seiner Entlassung. Ach ja, gearbeitet habe ich auch noch, als kleine Freiberuflerin kannst du dich ja nicht einfach mal krankschreiben lassen. Und dann war es soweit: Paul darf heim, eine ganze Woche bis der vorgesehenen OP. Wir haben uns so sehr gefreut auf diese Woche. Am 19.3. kam er nach Hause, ich wollte am 21.3. zu ihm fahren, vorher ging nicht. Am 21. hat er mir noch morgens sein tägliches Gedichtabo geschickt (es waren ingesamt mehrere hundert):
Alles geben die Götter, die unendlichen, ihren Lieblingen ganz, Alle Schmerzen, die unendlichen, Alle Freuden, die unendlichen, ganz.
Und darunter stand "die Schmerzen hätten wir ja dann durch, jetzt machen wir mit den Freuden weiter!"
20 Minuten später war er tot. Einmal hatten wir uns gesehen in dieser ganzen langen Zeit. Einmal! In fast drei Monaten... Ich kann es immer noch nicht fassen... Ständig frage ich mich, warum wir nicht einfach beide gleichzeitig bei dem Unfall sterben konnten. Wenn es doch für fünf Mal gereicht hätte!? Nichts ergibt mehr irgendeinen Sinn.
Das hört sich alles ziemlich selbstmitleidig an, aber ich tu mir gerade auch leid. Und hier kann ich das wenigstens auch loswerden. Danke!
(Wenn ich mir das alles jetzt nochmal durchlese, denke ich, das klingt wie in einem sehr sehr schlechten Film, den ich nicht gucken wollte)
Beitrag von
Clelia (238 Beiträge) am Freitag, 15.April.2022, 12:59.
Re: Tag 26 ohne Paul
Liebe, liebe Martini69 - ich musste weinen als ich eben Deine Zeilen las. Mein Mann ist eineinhalb Stunden nach einem sehr ähnlichen Unfall gestorben wie dem, den Ihr Beide erlitten habt. Mit ähnlicher Geschwindigkeit, aber sein Zusammenstoß mit dem LKW geschah frontal und er war alleine im Auto, auf dem Weg zu uns nach Hause. Als die Polizei bei uns vor der Tür stand waren viele Stunden vergangen und mein Mann war tot. Ich habe eine ungefähre Ahnung von der enormen Zerstörungskraft, die Du da mitmachen musstest. Mein Mann hatte ähnliche Verletzungen wie Deiner und als sein Körper nach Tagen endlich freigegeben wurde von der Staatsanwaltschaft, waren wir lange im Abschiedsraum bei ihm, haben all diese Verletzungen angeschaut und versucht, ihn zu umhüllen mit unserer Fürsorge und dies das letzte sein zu lassen, nicht all diese grauenhafte Gewalt, die er da erlitten hat. Und ich war auch in der Werkstatt und habe mir das Autowrack angesehen, alles berührt... ich brauchte das, um es zu irgendwie zu begreifen, um bei dem anzukommen was er erleben musste. Sie sehen einander ähnlich, all die hinterlassenen Autowracks tödlicher Autounfälle, nicht wahr? Es ist ein Wunder, dass Du den Unfall überlebt hast. Und ich dachte eben als Erstes: mein Kopf ist schon voll mit all diesen Bildern - wie muss es da erst Dir gehen, Du warst mitten in all diesem Inferno, allen Bildern und Geräuschen...Ich würd Dich jetzt gerne fest umarmen! Ich hab mir in all den vielen Monaten seit seinem Tod immer wieder mal gewünscht, ich hätte bei ihm sein können, um ihn zu berühren, um mit ihm zu reden, um mich verabschieden zu können solange er mich hört. Und wusste immer, ich wäre aber wohl ebenfalls gestorben bei diesem Unfall - ein Frontalzusammenstoß entfaltet eine Wucht, die kaum noch eine Lebenschance lässt. Und das hätte ich nicht gewollt. Unsere Kinder sind noch nicht wirklich selbstständig... - zum Beispiel. Beide Eltern, das wäre zu viel gewesen... Und nun lese ich von Dir und denke, das Schicksal gibt uns keine Wahl und das ist auch die einzige Gnade, irgendwie - wie sollten wir wählen können? Jede Wahl hätte ihren ganz eigenen tiefen Schmerz, nicht wahr? Und: weiß Gott - Du hörst Dich keineswegs selbstmitleidig an! Sag das nie wieder zu Dir!! Du hast einen grausamen Unfall überlebt, schwer verletzt. Und Du hast Deinen Mann verloren, nachdem er erst wie durch ein Wunder überlebte und ihr soviel Hoffnung hattet. Du hast jedes Recht zu lauter Klage!! Ich finde Dich mutig und großartig, dass Du hier ein wenig rausgelassen hast davon. Mach das weiter, wenn es Dir gut tut, unbedingt!! Und weißt Du was, ich muss mich bei Dir bedanken. Dein Mut hat es mir jetzt möglich gemacht auch ein wenig von diesem Unfall zu sprechen. Ich rede sonst nicht über all diese "Bilder". Aber es ist gut das zu tun, das spüre ich gerade selbst sehr deutlich. Danke, Martini69. Wirklich von Herzen danke! Und: bleib hier! Ja? In tiefer Verbundenheit, Clelia
Beitrag von
Jasmin2 (1694 Beiträge) am Freitag, 15.April.2022, 14:29.
Re: Tag 26 ohne Paul
Ach, Martini und clelia, da habt ihr beide so schlimme Situationen erlebt, nunja bei uns war es die zerstörerische Krebserkrankung mit anderen traumatisierenden Erlebnissen, die natürlich nun nicht thematisiert werden sollen. Nur einfach als Erklärung, dass ihr hier im Forum das alles loswerden dürft. Jedes in-Worte-fassen dient der Verarbeitung, so hat es meine Psychotherapeutin mir erklärt und auch für mich war manches zu schwer auszusprechen oder ich hatte Angst, nahe Menschen zu sehr zu belasten, weil es zu grauenvoll war. Daher manches nur für professionelle Berater geeignet- soll heißen, dass es ein Paket von verschiedenen Möglichkeiten und Wegen bedarf und eben auch gibt, um diese hammerschwere Situation zu bewältigen.
Mir hat es auch oft geholfen, meine Gedanken hier quasi zu adressieren und Antworten zu bekommen, Anerkennung, Zuspruch, manchmal Tipps, angenommen-sein u.v.m.
Liebe Martini, wir haben das Datum des Todestages gemeinsam, es war der 21.3.2010. Ich hatte zwar keinen gemeinsamen Unfall mit meinem Mann, doch andere teils schwere gesundheitliche Probleme, wegen der ich oft lieber als mein Mann gestorben wäre. Ich fühlte mich oft zum weiterleben verdammt, nur dachte ich dann, dass das Leben dann wohl noch etwas für mich vorhat, dass ich meinen Mann, meinen absoluten Fels in der Brandung, gehen lassen musste. Und das habe ich als meine Lebensaufgabe gesehen , mich wie gesagt mit vielerlei Unterstützung auf das Abenteuer des Weiterlebens einzulassen. Vieles ist seitdem auch positives geschehen, die Kinder erwachsen und außer Haus, ein neuer Lebenspartner, nun bin ich ziemlich gefragt, da meine Tochter vor 3 Monaten zwillinge bekommen hat statt Zweitkind. Es soll dir nur aufzeigen, dass so viele hier keine Idee hatten, wie und warum weitermachen..
Du hast jeden Grund, dir auch mal leid zu tun, und vielleicht hilft dir das Schreiben und lesen dessen anzuerkennen, was du geschafft hast, dies alles überhaupt zu überleben, oder einfach nur deine Gedanken zu sortieren. Warum du das alles geschrieben hast? Es musste raus!! Und es soll dir helfen nicht zu versteinern! Schon mal als Vorschau: evtl. Wird dir irgendwann eine Psychotherapie oder auch nur psychologische Beratung an einer Beratungsstelle guttun oder eine Rehamaßnahme oder oder.. Wichtig ist, es gibt Wege dies alles zu verarbeiten.
Doch erstmal fühl dich hier sehr willkommen und aufgehoben;)
Alles Liebe
Beitrag von
Martini69 (12 Beiträge) am Samstag, 16.April.2022, 00:10.
Re: Tag 26 ohne Paul
Jetzt hab ich Euch, liebe Jasmin und Clelia, eben eine lange Antwort geschrieben und abgesendet und dann erscheint das hier nicht, grrr. Ich werde es morgen nochmals versuchen, wenn ich die Kraft habe...
Beitrag von
Clelia (238 Beiträge) am Samstag, 16.April.2022, 08:24.
Re: Tag 26 ohne Paul
Oh - das kenn ich - super frustrierend!! Ddas passiert leider öfter, weil die in die Jahre gekommene gute alte Website bei längeren Texten keine Bewegung mehr registriert und Dich dann ausloggt ( seeehr laienhaft erklärt, Oliver schüttelts wahrscheinlich jetzt ) Manmchmal hat man Glück, wenn man sich umgehend nach "senden" und dem dann folgenden "oh nein" wieder einloggt.... manchmal erscheint der geschriebene Text doch. manchmal leder aber nicht. Das Einzige was derzeit hilft: längere Texte in aller Ruhe im eingene Schreibprogramm schreiben, dann erst hier reinkopieren. Lass Dich davon jetzt nicht frustrieren - und wenn Du wieder Kraft dazu hast und schreiben magst, versuchs nochmal. Liebe Grüße, Clelia
Beitrag von
Martini69 (12 Beiträge) am Samstag, 16.April.2022, 16:47.
Re: Tag 26 ohne Paul
Liebe Jasmin, liebe Clelia, 2. Versuch… Vielen Dank für das, was Ihr mir geschrieben habt. Auch ich musste bei Euren Zeilen weinen, aber das tu ich ja eh dauernd… Jasmin, danke für die Tipps, nächste Woche werde ich versuchen, bei Angeboten des Hospizvereins Kempten dabei zu sein, offene Trauergruppe, wandern… Wenn ich es denn schon schaffe. Die bieten auch Einzelbegleitung an, ich gucke mal. Anrufen fällt mir im Moment richtig schwer. Eine Reha geht nicht, denn ich bin nicht in der Rentenversicherung drin. Oder geht das auch über die KK? Hm. Clelia, das klingt richtig schlimm, dass Du Deinen Mann nicht mehr lebend sehen konntest und Du Tage warten musstest! Das tut mir alles so leid! Aber was Du schreibst mit der umhüllenden Fürsorge, war sicher „gut“ und wichtig für Dich. Der Paul hing wenigstens noch an der Beatmung, das hatte den Anschein von noch leben. Und ich habe ihn dann zusammen mit seinen zwei Mitbewohner*innen (unsere besten Freunde, ohne die ich diese erste Woche nicht überstanden hätte) gewaschen, eingecremt und seine Lieblingskleidung angezogen. Dafür bin ich dankbar. Wie das Auto aussah, weiß ich nicht mehr, aber Du hast recht, z.B. die Geräusche beim Aufprall verfolgen mich immer noch, Dein Ausdruck „Inferno“ trifft es gut. Dass Du Dich bei mir bedankst, hat mich sehr angerührt, das war mir nicht klar, dass ich im Moment anderen etwas geben kann. Danke! Ist es für Euch eigentlich so, wie ich mir das vorstelle, dass Kinder einem irgendwie dabei helfen, anders damit umzugehen, weil ja ein Stück vom Partner in ihnen weiterlebt? Auch wenn es anfangs sicher furchtbar schwer ist, sich auch noch kümmern zu müssen?! Und ja, ich bleibe hier, so schnell werdet Ihr mich nicht mehr los. Gleich gehe ich in den Stall zum melken, „meine“ Kühe geben mir momentan sehr viel, sie stellen keine dummen Fragen und nehmen mich so, wie ich bin. Schlecken mir sogar die Tränen ab…
Beitrag von
Jasmin2 (1694 Beiträge) am Montag, 18.April.2022, 19:21.
Re: Tag 26 ohne Paul
Hallo Martini, Bzgl. Reha würde ich bei Caritas oder müttergenesungswerk mal anfragen, die sollten sich mit den Voraussetzungen auskennen. Ansonsten deine Ideen nachverfolgen, Einzelbegleitung ist sicher gut. Und ja, die Kinder zu haben ist sicher gut dafür, überhaupt weiterzumachen, kostet aber auch oft Kraft. Doch es gibt nun auch nach 12 Jahren eigentlich kaum ein Treffen mit den erw. Kids, bei dem Papa mal nicht ein Thema wäre, mit irgendwelchen Anekdoten und schönen Erinnerungen. Das finde ich sehr schön, denn ich weiß gleichzeitig, dass es nicht selbstverständlich ist, in Liebe und mit einem Lächeln an verstorbene Angehörige zu denken. Liebe Grüße
Beitrag von
Martini69 (12 Beiträge) am Montag, 18.April.2022, 21:15.
Re: Tag 26 ohne Paul
Danke für die Tipps, Oliver und Jasmin!!!
Beitrag von
Oliver (3496 Beiträge) am Montag, 18.April.2022, 18:02.
Re: Tag 26 ohne Paul
Beitrag von
Ina70 (9 Beiträge) am Mittwoch, 20.April.2022, 16:13.
Re: Tag 26 ohne Paul
auch am Tag 712 ist es nicht wirklich besser. Anders ja, aber nicht besser...
Beitrag von
Martini69 (12 Beiträge) am Mittwoch, 20.April.2022, 19:38.
Re: Tag 26 ohne Paul
Oje Ina, zählst Du noch immer in Tagen?
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